Atemübungen und hörendes Gebet

Immer mehr breitet sich in den charismatischen Strömungen aber auch im evangelikalen Raum der Vorschlag aus, um Gott näher zu kommen, müsse man eine gewisse Atemtechnik erlernen, bei der Bibelverse oder kurze Gebete formuliert werden.

Es handelt sich um eine Gebetstechnik, die unter verschiedenen Bezeichnungen bekannt ist: Herzensgebet, Atemgebet, Ruhegebet, Jesusgebet, kontemplatives Gebet oder immerwährendes Gebet. Dabei werden Gebetsworte wie „Komm, Herr Jesus!“; „Kyrie eleison“; ,,Jesus du“ oder „Abba“ zuerst laut und dann leise gesprochen.

Durch diese ständige Wiederholung soll dieses Gebet immer mehr in das Un- und Unterbewusste eindringen und den Menschen innerlich reinigen und so das geistliche Wirken vertiefen.

So empfiehlt Richard Foster: „In der alten Kirchengeschichte kannte man die Praxis des ‚Atemgebets’. ...So entstand die Idee eines ganz kurzen Gebetes, das man ständig wiederholen kann und in dem man auf den Lippen trägt, was im Herzen ist; etwa das bekannte ‚Jesusgebet’: ‚Jesus Christus, Sohn Gottes, hab Erbarmen über mich als Sünder!’ Man beginnt dieses Gebet zu beten, immer und immer wieder, bis es ganz tief in den Körper eingedrungen ist.“1

Problemanzeige: Dies erinnert an die Methoden der Transzendentalen Meditation, wo man eine Silbe ständig wiederholen soll, um sein Unterbewusstsein für göttliche (kosmische) Kräfte zu öffnen. Hier wird der Name Jesus bzw. das Jesusgebet wie ein Mantra eingesetzt. Es besteht die Gefahr der Erreichung eines passiven Zustandes und damit die Öffnung für verführerische Mächte (1. Petr 5,8), die auch tatsächlich körperlich wahrgenommen werden können. Wer meint, durch Atemtechniken Gott näher zu kommen, befindet sich im Weltbild des New Age.

Man denke auch an die Warnung Jesu, „nicht viel zu plappern wie die Heiden“ (Matth 6,7)

Dokumentation: Besonders populär ist diese Gebetsform durch den katholischen Priester und Exerzitienleiter Peter Dyckhoff und sein Buch Ruhegebet geworden.

Prof. Johan Malan von der Universität North in Limpopo, Südafrika, konstatiert in seinem Artikel Östliche Meditation und Christentum: „Die östliche Meditation gewinnt unter weiten Teilen der Namenschristen im Westen einen immer größeren Einfluss. In vielen christlichen Kirchen, Gemeinden und Gruppierungen wird das Gebet zunehmend durch Meditation ersetzt – was man auch als Kontemplation, Gebet der Sammlung (centering prayer) oder Stillegebet bezeichnet. Meditation wird oft von Yoga-Übungen oder entspannenden Atemübungen begleitet, um eine mentale Entspannung herbeizuführen.“2

Selbst Peter Dyckhoff schreibt warnend: „Im Auto, als Beifahrer, im Zug, Flugzeug oder auf dem Schiff sollte auf keinen Fall das Ruhegebet geübt werden. ... Wird durch Bremsen, ein Luftloch oder Wellengang das Fahrzeug einem Stoß ausgesetzt, so überträgt sich dieser spontan auf den tief entspannten Körper und versetzt ihm einen Schock, der – wie schmerzliche Erfahrungen zeigen (Kopfschmerzen, Übelkeit, Aggressivität, sogar Todesfälle durch Genickbruch) – unter Umständen sehr verheerende Folgen nach sich ziehen kann.“3

Noch deutlicher wird es durch folgende Warnung Dyckhoffs: „Auch Kinder und Tiere sollten nicht in diesem Raum [des Betenden] sein, denn sie ziehen die frei werdende Lebensenergie und Gnade ab, die vorerst dem Betenden selbst zur Verfügung stehen sollte. Später jedoch, wenn durch das Ruhegebet und die liebende Zuwendung des Herrn der Strom ewigen Lebens begonnen hat, ständig und in Fülle zu fließen, geht er von selbst auf die Menschen über, die dem Betenden am nächsten stehen und für die er Verantwortung mitträgt (Fußnote: Hier sind nicht nur die Lebenden angesprochen, sondern auch die Verstorbenen).“ 4

Welche Quellen hier wirklich angezapft werden, sollte nun erkennbar sein.

Vertreter: Richard Foster, Anselm Grün, Christina Brudereck, Dallas Willard, Peter Scazzero.

Prophetisches Beten oder Hörendes Gebet

Parallel mit den erwähnte Atemtechniken greift stark und rapide in charismatischen Kreisen, aber wiederum nicht nur dort, das sogenannte „Hörende Gebet“ um sich.

Was versteht man nun unter „Hörendem oder Prophetischem Gebet“? In ideaSpektrum ist zu lesen: „Unter dem Titel ‚Hörendes Gebet’ breitet sich vor allem im charismatischen Bereich eine neue Form des Gebets aus. Dabei sitzen vier oder fünf Beter mit einem Gast zusammen, dessen Situation ihnen unbekannt ist. Nach einer Zeit der Stille teilen die Beter dem Gast mit, was für Eindrücke sie für ihn erhalten haben.“5 Man meint, Gott gibt besonders „begnadeten“ Werkzeugen Bilder und Gedanken, die dem Ratsuchenden seelsorgerlich weiterhelfen. Nicht durch Gottes Wort primär, soll also weitergeführt und geholfen werden, sondern durch ein „direktes“ Reden Gottes.

Es wird behauptet, Gott rede natürlich durch die Bibel, doch Gott ist noch viel kreativer. So erklären zwei „Prophetinnen“ einer Anskar-Gemeinde, wie der Herr angeblich durch Bilder, Stimmen, innere Filme, Eindrücke, Farben usw. rede. Einige empfangen beim Duschen besondere Botschaften. 6

Auch sollen nur positive Botschaften, die dem Gast im Leben weiterhelfen, übermittelt werden. Negative Botschaften sollen zurückgehalten oder in positive visualisiert werden. Denn negative Bilder und Botschaften stammten in der Regel nicht von Gott.7

Problemanzeige: Seit wann redet Gott und gerade auch der Prophet nicht mehr kritisch und für den Betreffenden oft genug wenig Erfreuliches? Man denke nur an die Sendschreiben, wo der Herr öfters sagt: Aber ich habe wider dich!

Problematisch ist auch der Vorschlag von Ehepaar Schmidt: „Das Reden Gottes zu mir beginnt damit, dass er in der Tiefe meines Wesens zu mir spricht: ‚Du darfst sein, du sollst sein!’“ 8 Der Mystiker meint in sich, dem Urgrund der Seele, den göttlichen Funken zu spüren. Doch in dieser „Tiefe“ hausen ganz andere Bereiche. Paulus erklärt ganz im Gegensatz zu aller Mystik und Schwärmerei: Denn ich weiß, daß in mir, das heißt in meinem Fleisch, nichts Gutes wohnt (Röm 7,18).

Durch ein sich inneres Öffnen und in sich Hineinhören besteht die große Gefahr einer ungewollten Passivität und damit für Einflüsterungen aus einer anderen Quelle (1. Tim 4,1). Was hier empfohlen wird, ist das Gegenteil von Wachsamkeit, welche die Hauptermahnung unseres Herrn Jesus für die Zeit vor seiner Wiederkunft ist (z.B. Mark 13,33-37).

Auch ist durch solche Eingebungen der Gefahr des Subjektivismus Tür und Tor geöffnet. Dabei warnt die Bibel ausdrücklich vor den „Gesichten des eigenen Herzens“ (Jer 23,16).

Wie will man wissen, woher solche Intuitionen kommen? Selbst die Anhänger dieser neuen Methode des „Hörens“ sprechen Warnungen aus und deuten an, dass man es letztlich doch nicht ganz genau wissen könne, wer da redet. Der Herr Jesus ermahnt nicht grundlos: So schaue darauf, daß nicht das Licht in dir Finsternis sei (Luk 11,35).

Auch wird durch die Wertschätzung eines solchen „direkten Redens“ der reformatorische Grundsatz sola scriptura, allein die Schrift, aufgeweicht. Das soll nicht heißen, dass Gott in besonderen Fällen und unter außergewöhnlichen Umständen nicht auch besonders reden, womöglich akustisch vernehmbar, oder auch Träume geben kann. Doch ist dies die Ausnahme. Daraus aber ein Lehre oder gar Methode abzuleiten, ist der Bibel fremd und gleicht eher esoterischen Techniken und Wahrsagerei.

Vielleicht sollte man sich Luthers Ermahnung in Erinnerung rufen: „Diejenigen, welche Offenbarungen und Träume im Munde führen und suchen, sind Gottesverächter, da sie mit seinem Wort nicht zufrieden sind. Ich erwarte in geistlichen Dingen weder eine Offenbarung noch Träume; ich habe das klare Wort; deshalb mahnt Paulus (Gal 1,8), man solle sich daranhangen, auch wenn ein Engel vom Himmel anders lehrte.“9

Ernst Buddeberg charakterisierte sehr zutreffend diese Gefahren: „Gott will durch sein offenbartes Wort mit uns verkehren. - Die Schwärmerei will darüber hinaus ‚inneres’ Wort Gottes haben und richtet ein neues Prophetentum mit autoritativer Gewalt auf. .... Gott tut uns seinen Willen vornehmlich kund durch sein Wort, durch die Lebensführung und durch erfahrene Christen- - Die Schwärmerei will nur unmittelbar vom Geist geleitet werden.“10

In der Bibel findet sich kein Auftrag für „Hörendes Gebet“, wohl aber auf das „prophetische Wort“ zu achten (2. Petr 1,19).

Auch sollte man zur Kenntnis nehmen, dass diese Gebetstechnik in eine Zeit fällt, die gekennzeichnet ist durch große esoterische Aufbrüche. Paulus sagt über die Endzeit voraus, dass Gott eine wirksame Energie der Verführung senden wird (2. Thess 2,11). Besonders die New Age-Bewegung und magische Vorstellungen bestimmen immer mehr das Denken und Empfinden der Menschen. Dementsprechend empfangen auch Weltmenschen immer häufiger innere Bilder, Eingebungen, innere Filme und Botschaften aus einer angeblich anderen bzw. höheren Welt. Statt wachsam ist man passiv geworden. Folgerichtig breitet sich auch ein esoterisches Christentum immer mehr aus.

Vertreter: Ursula und Manfred Schmidt, Lilo & Geri Keller, Heinrich Christian Rust, Arnd Kischkel.

Auszug aus erweiteter Fassung von „Neue Praktiken innerhalb der pfingstlich-charismatischen Bewegungen“ von Helge Stadelmann und A. Seibel

Quellenangabe:

1 Richard Foster, EINS, 1/2007, S. 13.

2 Prof. Johan Malan, Eastern Meditation Sneaks into the Church, http://www.facebook.com/topic.php?uid=60107103810&topic=11814

3 Peter Dyckhoff, Ruhegebet, München 2009, S. 112.

4 Peter Dyckhoff, ebd., S. 135.

5 Soll man prophetisch beten?, ideaSpektrum, Nr. 6/2007, S. 2.

7 Ursula und Manfred Schmidt, Hörendes Gebet, GGE-Verlag, 2007.

8 ideaSpektrum, 6/2007, S. 18.

9 Martin Luther, Tischreden 5, 6211, Fausel Bd II, 5. 195.

10 Zitiert bei Paul Fleisch, Die Pfingstbewegung in Deutschland, Feesche Verlag, Hannover 1957, S. 170.


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